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mirroco @ Unico - ein Interview mit mirroco-Initiantin Paula Duwan


Das Leitbild und die Werte der Unico knüpfen eng an die Lernkultur von mirroco an. mirroco steht für «mirror of competences» und engagiert sich für eine individualisierte Lernkultur, in der Kinder nach ihrem eigenen Tempo und ihren eigenen Interessen lernen können. mirroco umfasst acht Bausteine, darunter das mirroco- Tool zur Erfassung des Lernstands, das aktuell an der Unico eingeführt wird. Um mirroco und die Idee hinter der Lernkultur, sowie die Möglichkeiten des mirroco- Tools besser kennenzulernen, haben wir mit der mirroco- Initiantin Paula Duwan ein Gespräch geführt. Paula ist Mutter von zwei Kindern im Teenageralter und war lange in der Organisationsentwicklung tätig, bevor sie sich ganz ihrer Familie gewidmet und eine Weiterbildung in Entwicklungspsychologie gemacht hat. Aus persönlichen Gründen haben sie als Familie entschieden ihre Kinder im Homeschooling zu begleiten. Bei dem lebensnahen, fächerübergreifenden Lernen zuhause kam die Frage auf, wie sich dieses Lernen mit dem Lehrplan 21 verbinden lässt und wie man die Kompetenzentwicklung der Kinder gegenüber dem Schulinspektor sichtbar machen kann. Aus dieser Frage heraus ist mirroco geboren und wir wollten von Paula zunächst wissen:

Was braucht es, damit ein Kind gut lernen kann?

Das wichtigste ist die Beziehung zwischen der/m Begleitenden und dem Kind. Aus meiner Überzeugung heraus kann noch so eine gute Methode, noch so ein gutes Tool, oder tolle Lernumgebung zur Verfügung stehen - wenn die Beziehung zwischen der/m Lernbegleitenden oder der Bezugsperson und dem Kind nicht tragend und nicht sicher ist, dann greift das nicht.

Daher ist aus meiner Sicht die Beziehung zwischen Lernbegleitender/m und Kind das wichtigste.

Wichtige Erkenntnisse rund um das Thema Bindung liefert der Bindungsforscher und Entwicklungspsychologe Gordon Neufeld aus Kanada. mirroco orientiert sich an den Forschungsergebnissen und die Lernkultur baut auf diesem Grundverständnis auf.

Das zweite ist, dass wir Erwachsene vor allem bei uns hinschauen und es schaffen, das Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit unserer Kinder zu finden. Unsere Gesellschaft ist sehr geprägt von defizitorientierter Begleitung, man schaut immer wo die Fehler sind und wie man sie möglichst schnell beheben kann.

Vertrauen entsteht, indem man eine ressourcenorientierte Sicht aufs Kind entwickelt und es so begleiten kann.

Es braucht Vertrauen, denn das Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo und es kann sein, dass es in Mathematik gemütlicher unterwegs ist und dafür in Deutsch und in Sport ganz weit ist. Diese Nichtlinearität gilt es auszuhalten und das können wir nur, indem wir ins Vertrauen kommen in die Entwicklungsfähigkeit der Kinder. Da hilft uns in der heutigen Zeit die Hirnforschung und Entwicklungspsychologie sehr, weil die Erkenntnisse daraufhin deuten, dass wir in die Entwicklungsfähigkeit vertrauen dürfen, und an diesem Punkt ist Aufklärungsarbeit sehr wichtig.


Ja, und es gibt noch zwei Punkte, die ich wichtig finde: wenn für das Lernen der Grundsatz gilt «die Welt ist das Klassenzimmer», also wenn die Kinder immer mehr im Ökosystem lernen dürfen und nicht vorwiegend im Klassenzimmer, dann ist Lernen sehr im Einklang mit dem, was Kinder mitbringen. Und als letzter Punkt ist aus meiner Sicht essenziell, dass Kinder mit ihrem eigenen Entwicklungsprozess verglichen werden und nicht mit dem von anderen. Das sind die vier wesentlichen Punkte, neben weiteren.

Mit mirroco arbeitet ihr angelehnt an den Lehrplan 21. Wie funktioniert das? Wie ist der Lehrplan integriert bzw. wie kann ich die Kompetenzen vom Lehrplan 21 in mirroco wiederfinden?

Ganz ursprünglich wurde mirroco für Homeschooler entwickelt und schon zu Beginn haben wir mit dem Original vom Lehrplan 21 gearbeitet und das in kleinem Kreis getestet. Inzwischen sind wir bei privaten- und öffentlichen Schulen aktiv und sind technologisch so aufgestellt, dass wir auch ganz grosse Schulen betreuen können. Im mirroco Tool ist das so integriert, dass man über eine technische Schnittstelle zum Original des Lehrplans 21 die Kompetenzen sichtbar hat und die Kompetenzeinschätzung anhand von folgenden sechs Stufen durchführen kann: Einstieg, Orientierung, Vertiefung, Reflexion, Training, Transfer. Anhand der Einschätzung im mirroco Online-Tool wird eine automatische Auswertung erstellt, die grafisch in Form einer Blume zeigt wie die Kompetenzentwicklung des Kindes ist.



Was muss ich in dem Zusammenhang unter Kompetenzen verstehen, was ist damit gemeint?


Ich zitiere da sehr gern Daniel Hunziker mit seinem Buch "Hokuspokus, Kompetenz", das kann ich allen sehr empfehlen. Er beschreibt darin, was Kompetenz überhaupt bedeutet und das ist das Verständnis, das wir auch bei mirroco vertreten. Daniel Hunziker sagt: "Kompetent ist, wer nicht standardisierte Situationen selbstständig lösen kann". Und wenn man sich den Satz verinnerlicht, dann merkt man, mit wie viel Handlungsfähigkeit das zu tun hat. Also da kann ich noch so viel wissen, wenn ich in eine unvorhergesehene Situation komme und ich habe keinen Plan oder keine Fähigkeit wie ich etwas anwenden kann, dann fehlt etwas Essenzielles. Bei dem Verständnis von Kompetenz, das wir vertreten, geht es vor allem darum, dass man die Handlungskompetenz erlangt und dieses mit Wissen verbindet. Aus unserer Sicht ist das ein länger dauernder Aneignungsprozess. Es genügt also nicht, sich irgendwelche Wissensfaktoren anzueignen, sondern Handlungskompetenz aneignen hat etwas damit zu tun, dass man sich Wissen erschliesst und dieses Wissen mit Erfahrung verbindet oder umgekehrt.

Erfahrung und Wissen beeinflussen sich gegenseitig und Lernen findet häufig auch ganz versteckt statt.

Wir sagen es braucht sechs Stufen, bis die Stufe Transfer (Handlungskompetenz) erreicht ist. Ich behaupte heute liegt der Fokus zu stark auf dem Reflektieren und Trainieren. Häufig wird geschaut, wo das Kind steht, und dann wird die fehlende Kompetenz trainiert u.s.w. Es gibt Gebiete, in denen wir eine hohe Kompetenz mit einem hohen Automatisierungsgrad entwickeln - das sind die Sachen, die wir gern und viel machen. Und dann gibt es Gebiete, in denen wir einfach in einem bestimmten Mass eine Kompetenz entwickeln, aber nicht einen Automatisierungsgrad erreichen. Und das ist auch eine wesentliche Aussage über das intrinsisch motivierte Lernen. Einen Automatisierungsgrad erreichen Kinder viel später beim intrinsischen Lernen, was manchmal darüber hinwegtäuscht oder Sorge bereitet, weil man denkt "jetzt können sie das immer noch nicht in so einem schnellen Tempo." Aber wenn man etwas in der Tiefe verstehen will, kommt das Automatisieren erst viel später und aus meiner Sicht geht man viel zu schnell zum Automatisieren und dann fehlt die Grundkompetenz immer noch. Aber das ist etwas das man aushalten können muss:

Kinder die selbstbestimmt lernen dürfen, automatisieren später.

Viele Eltern haben zu Beginn vielleicht Ängste und Sorgen, ob das der richtige Weg ist für sie und ihr Kind, und ob ihr Kind beim selbstbestimmten Lernen wirklich diese Kompetenzen erreichen wird, die gefordert sind. Denkst Du, mirroco kann den Eltern hier mehr Vertrauen geben?


Ja, das ist ein wichtiger Sinn von mirroco. Wenn Kinder individualisiert lernen ist es generell schwieriger zu erfassen, wo sie stehen, weil jedes Kind an einem anderen Ort ist.

Unser Ziel ist, dass jedes Kind nur noch mit sich selbst und mit dem eigenen Entwicklungsprozess verglichen wird.

Und wenn man den sichtbar machen kann, dann gibt das viel Vertrauen, weil man dann wirklich ein Gefühl dafür bekommt, wo das Kind steht und welche Entwicklungsprozesse jetzt anstehen. Das ist eigentlich das Zentrum von mirroco, Vertrauen zu schaffen, damit die Kinder wirklich den Freiraum bekommen, in dieser Art und Weise zu lernen.

Wie siehst Du die Zusammenarbeit von mirroco und der Unico in der Zukunft?

Mit der Unico verbindet uns von mirroco ja schon eine längere Geschichte, da die Unico die erste Schule war, die sich zur mirroco Lernkultur bekannt hat. Von der kulturellen Ebene aus würde ich sagen:

Ich wünsche mir, dass die Unico ein Leuchtturm wird in der Bildungslandschaft.

Ein Leuchtturm der zeigt, dass Lernen in der Art und Weise für Kinder eine gesunde Entwicklung ermöglichen kann. Und auf der anderen Seite sehe ich eine gute Möglichkeit, dass die Unico mit der Anwendung des mirroco- Tools das auch wirklich sichtbar und greifbar machen kann.

Und was ich mir natürlich wünsche ist, dass die Unico für die Kinder ein Ort ist, an den sie voller Freude kommen!

Herzlichen Dank Paula, für das Interview!


Zum Weiterlesen und -lernen: www.mirroco.ch

https://neufeld-d.incms.net (deutsches Institut) Daniel Hunziker: Hokus Pokus Kompetenz? Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen ist keine Zauberei, hep-Verlag 2017



(Interview: Lucy Gmelch / Bild: Paula Duwan)

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